Erfahrungsbericht von Kai Rabe über das Peter Puck Album "Immer Ärger mit Rudi"

26/03 2006

Bewertung: 5 von 5 möglichen Sternen

 

Unterhaltungswert: +++

Aufmachung: +++

 

Pro: Unglaublich ausgefeilte Zeichnungen, geniale Dialoge

Kontra: Nichts

 

Kompletter Erfahrungsbericht

 

In Kürze:

Ende 2005 erschien in der Ehapa Comic Collection ein Band mit gesammelten Comics um den Antihelden Rudi, erdacht und gezeichnet von Peter Puck. Rudis alltäglicher Kampf mit den Tücken des Daseins zieht seinen Reiz aus den ausgefeilten Zeichnungen Peter Pucks und den hervorragenden Dialogen.

 

Der Zeichner:

Peter Puck wurde 1960 in Heidenheim an der Brenz geboren. Er studierte Empirische Kulturwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur in Tübingen. 1985 startete er die Comicserie "Rudi" im Stuttgarter Stadtmagazin "live", das heute "lift" heißt und immer noch die Comics veröffentlicht. Buchausgaben der früheren "Rudi"-Comics erschienen ab 1987 im kleinen Heinzelmännchen-Verlag, nämlich folgende:

    1. Alle lieben Rudi (1987)
    2. Rudi gibt nicht auf (1989)
    3. Mein Freund Rudi (1992)
    4. Keiner ist wie Rudi (1995)
    5. Freunde fürs Leben (1998)
    6. Ein Fest für Rudi (2001)

Dazwischen erschien 1994 der Sonderband "Rudi ist riesig", der einige Episosden im Format DIN A3 nachdruckt, und zwar eine halbe Comicseite im DIN A3-Querformat, wie die Strips auch gezeichnet worden sind.

 

2005 übernahm die Ehapa Comic Collection die Herausgabe der Alben und brachte als erstes den siebten Band "Immer Ärger mit Rudi". Der Verlag plant, im Laufe der Zeit die bereits früher publizierten Bände nachzudrucken und zu einer Reihe zu vereinen.

 

Bleibt noch zu erwähnen, dass Peter Puck 2002 in Erlangen als "bester deutschsprachiger Comic-Künstler" geehrt wurde. Er zeichnet laut eigenen Angaben eine Seite "Rudi" im Monat, genauer gesagt innerhalb von zwei Wochen; die andere Zeit muss er dem Beruf widmen, mit dem er seinen eigentlichen Lebensunterhalt bestreitet. So ist in den sieben "Rudi"-Bänden die ganze Serie enthalten. Puck beweist aber nachdrücklich, dass Klasse viel wichtiger als Masse ist.

 

Inhalt:

Rudi, oft in Begleitung seines Freundes Fred, erlebt alltäglich wirkende Geschichten, die in vielen Fällen die Länge von einer Seite nicht überschreiten. Nur in Einzelfällen gehen die Stories über zwei bis drei Seiten; außerdem enthält der Band llustrationen Pucks, die ein bis zwei Seiten ausfüllen können. Peter Puck verwendet für seine Figuren einen Stil, der mit anthropomorphen Tierfiguren menschliche Schwächen aufs Korn nehmen will. Dabei ist seine Zeichenkunst derart ausgefeilt, dass Gemütsregungen und Reaktionen der Personen immer auch an den Gesichtern direkt ablesbar sind. Weiteres großes Plus bei "Rudi" sind die recht umfangreichen, sehr gelungenen Dialoge.

 

Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Puck es versteht, Sprech-und Denkblasen genial zu füllen, ist der Comic "Die lange Nacht der Museen" (S.11 des Buches, das leider keine Seitenzählung hat). Nach einer kurzen Einführung (in Textform), worum es bei dieser Aktion geht, sehen wir Rudi und Fred, wie sie mit anderen diese Nacht im Museeum nutzen...oder nichts damit anzufangen wissen.

Kommentar einer sichtlich besserwisserischen Kunstfreundin: "Das Fresko thematisiert für mich das Geworfensein des Menschen... Stlilstisch eine Synthese aus Kandinsky und Spitzweg..." Dazu die Denkblase ihrer sichtlich gelangweilten Begleiterin: "Für mich sieht das aus wie'n Kotzfleck! ... Aber wahrscheinlich kapier ich's mal wieder nicht!..."

Vor dem letzten Bild werden wir folgendermaßen vorgewarnt: "Die lange Nacht neigt sich dem Ende zu und man spürt jeden Knochen im Leib. Das reichhaltige Kulturangebot hat einen echt erschlagen!..." Passend dazu sehen wir Rudi im letzten Bild unter den Knochen eines gerade zusammengestürzten Saurierskeletts liegen, das die zur Untermalung gedachte Musikdröhnung nicht ausgehalten hat. Wem das zu dämlich ist, findet in einem weiteren Besucher einen Gleichgesinnten: "Typisch für schlechte Comics! Wenn irgendwo ein Saurierskelett rumsteht, kracht es irgendwann zusammen!... Mega-originell!" Es ist zwar anstrengend, immer alle Sprech- und Denkblasen zu lesen, sorgt aber für stets für einigen Witz.

 

Natürlich gibt es in Rudis Welt nicht nur kulturelle Ereignisse: auch die Rituale des Jahreslaufs wie Weihnachten oder Silvester finden in den Comics ihren Niederschlag. In "Weihnachten - Fest der Familie" muss Rudi sich zunächst endlose Klagen seiner zänkischen Großmutter über die schlechten Zeiten von "frieher" anhören, besucht anschließend seine durchgeknallte Tante Hortensie und entdeckt bald seine Schwester als Fotomodell im Männermagazin "Panthouse". Beim Heiligabend mit Vater und Mutter muss Rudi sich dann allerdings anhören, dass seine Schwester - im Gegensatz zu ihm - ihr "eigenes" Geld verdient. All das familiäre Treiben ist in genialen Bildern festgehalten, die jede Figur profiliert und sehr plastisch wiedergeben. Auch für Gags am Rande ist gesorgt: die Katze der Großmutter fleht Rudi an, sie doch bitte vor der Oma zu retten, egal wohin...

In "Wie unsere Freunde Silvester feierten" gibt Puck witzige Einblicke in allerlei unpassende Arten, den Jahresübergang zu begehen, im Striplokal, allein und heruntergekommen vor dem Fernseher oder obdachlos auf der Parkbank. Rudi selbst ist leider krank und muss im Bett bleiben.

 

Rudi und Fred träumen auch mal von einem besseren Leben. In der zweiseitigen Story "Warum es gar nicht so toll ist ...reich zu sein" sehen wir Rudi in Gedanken als reichen Mann, der sich auch im Nobelrestaurant einiges herausnimmt: "Ich will 'ne Portion Texas Feuertopf von Aldi und 'ne Dose Hansapils! ... Und stellen Sie mir 'ne Glotze an den Tisch! 70 cm Farbe." Im Bild sehen wir Rudi gelangweilt im Lokal sitzen.

 

Weitere wichtige Themen des Bandes sind unter anderem Probleme mit dem Computer, die Sommergrippe und schließlich sogar Rudis Begegnung mit dem Sensenmann. Alles aufzuzählen, wäre hier gar nicht möglich. Für Comicfans gibt es auch manch unerwartetes Wiedersehen.

 

Meinung:

Als ich vor Jahren die ersten "Rudi"-Comics in ZACK entdeckte, war ich zunächst nicht völlig begeistert von dieser Serie. Das hatte einen schlichten Grund: ich hatte den Eindruck, es hier nicht eigentlich mit einem Comic zu tun zu haben, sondern eher mit einer Aneinanderreihung von Cartoons zu einem bestimmten Thema, wo aber diese sehr gelungenen Einzelbilder keinen wirklichen erzählerischen Zusammenhang bilden. Dies finde sich auch heute noch für einige Comicseiten der Reihe zutreffend.

 

Was mich aber schleißlich von den großen Qualitäten der Serie überzeugt hat, sind die überragenden Zeichnungen Peter Pucks, die jeder Figur ihr persönliches Profil geben und in Zusammenspiel mit den auch sehr ausgefeilten Dialogen einen riesigen Unterhaltungswert ergeben. Dabei ist "Rudi" auch eine Serie, die mancherlei kulturelle Anspielungen bereithält, nicht nur auf die "lange Nacht der Museen", sondern auf weitere Institutionen des kulturellen Kanons. So gibt es schon mal statt einer Comicseite die Parodie auf ein bekanntes Gemälde wie "Der arme Poet" von Spitzweg. Grund für dieses Zwischenspiel: "Herrn Puck fällt mal wieder nix ein".

 

Das ist schwer zu glauben: denn manche Absurditäten des heutigen Daseins werden hier so geschickt bis zur Kenntlichkeit enstellt, dass ein Panorama des Daseins entfaltet wird, das familiären wie öffentlichen Unsinn einer kritischen, teilweise bösen, Analyse unterzieht.

 

Zum sehr guten Eindruck trägt die Farbgebung bei; es ist verwunderlich, dass die Serie ursprünglich in Schwarz-Weiß angelegt war und erst für ZACK und diese Albumausgabe koloriert worden ist; denn die Kolorierung, die André Kurzawe in Zusammenarbeit mit Peter Puck angefertigt hat, ist großartig gelungen. Ich freue mich daher auf die Nachdrucke der älteren "Rudi"-Bände, die in Farbe erscheinen sollen; Band 5 und 6 noch in diesem Jahr. Ein wunderschöner Band liegt hier vor, den man wahrscheinlich so intensiv und oft lesen wird, dass hoffentlich die Softcoverbindung das aushalten wird. Eine Alternative in Hardcover wäre nicht schlecht.

 

Fazit:

Ein großartiger Band einer intellligenten Comicserie, die von den Zeichnungen her Spitzenklasse ist und inhaltlich ein (irr-)witziges Panoptikum des heutigen Lebens ist. Man kann den Band aufgrund der vielen Gags am Rande und des umfangreiches Textes nicht schnell lesen - aber die Mühe lohnt sich. Lest mehr "Rudi".

 

[Quelle: >ciao! >zur Rezesion]